Wenn die Freiheit plötzlich weg ist – Ein ehemaliger DDR-Häftling erzählt
Von Lernenden der Main-Taunus-Schule aus dem Geschichtskurs von Julia Bagdadi
Bewegend. Ergreifend. Schockierend. Mit diesen Worten beschreiben die Schülerinnen und Schüler der Q3 einen ungewöhnlichen Besuch an der Main-Taunus-Schule.
Am 15. Januar 2025 berichtete Thomas Raufeisen von seinem ereignisreichen Leben. Zunächst erregte Raufeisen jedoch Verwunderung, als er sagte, er sei in Hannover aufgewachsen – im Westen. Eigentlich war eine Zeitzeugen-Präsentation über die Verhältnisse in der DDR erwartet worden.
Er erzählte, dass er im Westen aufwuchs und über die DDR zwar Bescheid wusste, sie aber kein großes Thema war, obwohl seine Großeltern in Ostdeutschland lebten.
Eines Tages jedoch forderte Raufeisens Vater die ganze Familie auf, schnell mit nach Ostdeutschland zu kommen, da angeblich der Großvater im Sterben lag. Doch als sie die Grenze überquert hatten, stellte sich schnell heraus, dass die ganze Familie unter dem Vorwand dieses Notfalls in ein sozialistisches Unrechtsregime gezwungen werden sollte – von niemand geringerem als dem Vater selbst, der sich als Spion entpuppte.
Diese schockierende Wendung der Ereignisse klang fast filmreif oder wie aus einem Buch – und tatsächlich hat Thomas Raufeisen seine Geschichte in einem Buch dokumentiert und unter dem Titel „Ich wurde in die DDR entführt. Von meinem Vater. Er war Spion“ veröffentlicht.
Raufeisens Vortrag war mitreißend und bewegend. Eindrücklich führte er vor Augen, wie der sich sozialistisch nennende Unrechtsstaat tiefgreifend familiäre Beziehungen unterwanderte und seine Einwohner ihrer Freiheit beraubte. So wurde auch Thomas Raufeisen drei Jahre lang inhaftiert – sein Vater hatte reuevoll verschiedene Fluchtpläne geschmiedet, was von der Stasi nicht unbemerkt geblieben war.
Besonders schockierend war die Tatsache, dass dieser einst linientreue und ideologisch indoktrinierte Spion schließlich die härteste Strafe erhielt: Raufeisens Vater wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb plötzlich unter mysteriösen Umständen im Gefängnis. Die Menschen wussten, welches Risiko sie eingingen, um ihre Freiheit wiederzuerlangen, aber dennoch taten sie es in großer Anzahl.
Der Vortrag war erinnerungspolitisch hochinteressant und rief ins Bewusstsein, was für ein Privileg es ist, in einem Rechtsstaat zu leben. Die Jugendlichen gingen mit der vertieften Erkenntnis aus der Veranstaltung, dass die Freiheit, die wir in unserer Gesellschaft genießen, keineswegs selbstverständlich ist.